Home | Startseite Office | Büro News | Aktuelles Projects | Projekte Thoughts | Gedanken Mail to/an: architekten@s-e-p.de   Storch Ehlers Partner Architekten GbR   Impressum & Kontakt  
 

"Bauen und Sehen" (Teil 4)


Abb.29 Skizze, Formen sind nicht wertfrei

Abb.29 Skizze, Formen sind nicht wertfrei


Formen sind nicht wertfrei! Also muß uns darum zu tun sein, daß der geistige Anspruch, den die Formensprache eines Bauwerkes mitteilt, dem Ansehen entspricht, das sein Zweck, meist wird es einer öffentlichen Charakters sein, in der Wertschätzung der Gesellschaft genießt.
(Abb.29 Skizze, Formen sind nicht wertfrei)


Besteht dieses Gleichgewicht, ist man ja bereit, auf das Besondere einer überraschend individuellen Gestalt einzugehen, und dazu willens, sie auch zu verstehen. Denn in der Tat ist es ja so, daß ein starkes geistiges Band die Geschlossenheit eines Gefüges ersetzen kann, wie es sonst der Archetypus bietet. Wie anders als durch die Geisteskraft eines ausgeprägten künstlerischen Duktus ließe sich das

Abb.30 Modell Hagen, Foto

Abb.30 Modell Hagen, Foto


Phänomen wohl erklären, daß wir äußerlich aufgelöste, auf gänzlich neuartige Weise komponierte architektonische Gebilde begreifen und akzeptieren. An die Stelle der streng gebundenen Gestalt ist nun die freie, lediglich durch eine künstlerische Idee verbundene Skulptur getreten, ohne daß sich unser Verstehen prinzipiell dagegen sperrt.

Eine Sonderstellung jedoch nimmt nur ein, was sich von der Nachbarschaft abhebt. Selbst ein Paradiesvogel fällt eben innerhalb einer Schar von Paradiesvögeln nicht besonders auf. Bedeutung durch Sonderformen herauszustellen, setzt demnach die überwiegende Existenz einer Normalform, das heißt die Homogenität eines Ortsbildes voraus. Einen Stadtkörper ähnlicher Formen also, die imstande sind, untereinander nachbarschaftliche Beziehungen aufzunehmen.
(Abb.30 Modell Hagen, Foto)

Dazu sind urpersönliche, auf uneingeschränkter Individualität beruhende Architekturen natürlich nicht in der Lage. Sie sind immer Einzelgänger, ganz auf sich bezogen. Homogenität dagegen fordert, auch das Neue an bekannte und überwiegend vorhandene Grundformen zu binden. Inwieweit die Grundformen dabei durch bisher Unbekanntes belastet werden dürfen, wo also die Grenze liegt, jenseits derer sie zerbrechen, dafür allgemein verbindliche Regeln aufzustellen, ist natürlich unmöglich. Das bleibt eine Frage des Fingerspitzengefühls, nicht von Gestaltungssatzungen.



Abb.31 Skizze Straßenbild Aerosköbing

Abb.31 Skizze Straßenbild Aerosköbing


Geist bedarf, wie schon gesagt, des sinnlich Wahrnehmbaren, in unserem Falle des Bauwerkes, um in Erscheinung treten zu können. Während wir in der Natur, wir erinnern uns des bescheidenen Blattes, zwischen dem Erscheinungsbild eines Gegenstandes und seinem geistigen Habitus eine vollkommene Einheit beobachten, ist ein solches Gleichgewicht den Werken des Menschen nicht selbstverständlich mitgegeben. Er muß darum ringen und dabei auch mit s ich selbst. Unter der schweren Last des inneren Widerstreites zwischen Bindung und Freiheit.

Je näher ein Gebäude dem Archetypus steht, desto allgemeiner ist es formuliert und umso mehr allgemein verträgliche Bestandteile hat es. Anders ausgedrückt, beschränkt sich das Besondere auf wenige Einzelheiten, wie zum Beispiel die Lage und Ausformung von Eingangsportal und Fenstern, erkennen wir Unterschiede zwar mühelos, aber das Verbindende überwiegt. Das heißt, Bauwerke dieser Art sind besonders gut geeignet, ein homogenes und zugleich abwechslungsreiches Stadtbild zu formen.
(Abb.31 Skizze Straßenbild Aerosköbing)

Und umgekehrt: Je größer die Besonderheiten, desto einmaliger wird das Erscheinungsbild und, wie die Bezeichnung einmalig ja aussagt, umso weniger ist es wiederholbar. Da aus einer urpersönlichen Quelle, der unauslotbaren Tiefe des schöpferisch tätigen Menschen kommend, kann es, wie wir schon behauptet haben, nur ein sehr individuelles sein.



Abb.32 Lappenhütte, Zeichnung

Abb.32 Lappenhütte, Zeichnung


Wir wollen versuchen, diese Behauptung an Hand von Beispielen zu belegen und den Weg vom Bauwerk allgemeinerer Gestalt zu einem durch die Person des Baumeisters besonders geprägten wenigstens skizzenhaft zu beschreiben. Uns interessiert also, wie menschlicher Geist aus einfachsten Anfängen heraus mit der Zeit ein prägnantes Gebilde, das Haus formt. Wie er dieses Haus, obwohl es im Dienste des Zwecks steht, über die Zweckerfüllung hinausgehend zum Kunstwerk entwickelt und schließlich, wie er die Gestalt des Hauses als die eines Typus verläßt und eine völlig eigene Formensprache erzeugt. Laßt uns das sozusagen in einem groben Zeitraffer betrachten:

So primitiv die Lappenhütte erscheinen mag, sind erste Spuren des Geistes bereits zu entdecken. Den Bedrohungen durch das Klima wird eine technisch klar formulierte Antwort entgegengestellt. In Form einer durchaus prägnanten, seine Funktion, nämlich den Wetterschutz, anschaulich wiedergebenden Gestalt. Der Mangel an Präzision der Ausführung erweckt, allerdings nur von außen gesehen, den Eindruck einer gewissen Stumpfheit des Denkens und der Sinne. Die eigentümlich klare, bogenförmige Dreigelenkkonstruktion, hier im Schnitt dargestellt, läßt an der Richtigkeit des Eindrucks wiederum zweifeln.
(Abb.32 Lappenhütte, Zeichnung)



Abb.33 Skizze Kate

Abb.33 Skizze Kate


Die kleine Kate aus Holstein dagegen, noch heute existieren einige Exemplare, stellt mit der Einführung aufgehender Wände natürlich einen erheblichen technischen Fortschritt dar. Eine handwerklich völlig beherrschte Form.
(Abb.33 Skizze Kate)

Sie strahlt aber etwas aus, was über die materielle Durchdringung der Konstruktion weit hinausgeht: Eine völlig uneitle, verhalten in sich ruhende und gleichsam sich selbst gewisse Schönheit. Das technische Gerät Haus ist übergegangen in einen Gegenstand höheren Wertes. Den Vorgang haben wir schon am Beispiel des Blattes studiert.

Wie die Kate sind auch diese Bauernhäuser noch langsam gewachsene Anpassungsformen. Exakt zugeschnitten auf die Zwecke einer bis vor kurzem aktuellen Form der Landwirtschaft. Zu ihrer Zeit also von hohem Gebrauchswert. Darüber hinaus auch hier eine kunstvolle Ausgewogenheit der Maße, bereichert durch die Höhung ursprünglich konstruktiver Bauelemente zu Schmuckformen.

Abb.34 Skizze, zwei Bauernhäuser Abb.35 Skizze Fischerhaus, Dänemark

Abb.34 Skizze, zwei Bauernhäuser, Abb.35 Skizze Fischerhaus, Dänemark


In beidem können wir die Leistungen Einzelner vermuten. Die große Ähnlichkeit der Häuser, sowohl im Großen als auch im Detail, zeigt aber, daß die persönliche Schöpfung anschließend von der Allgemeinheit vereinnahmt, zu anerkannten Handwerksregeln geronnen und schließlich traditionell weitergetragen worden ist. Obwohl ebenfalls noch in der ländlichen Bautradition stehend, zeigt das dänische Fischerhaus schon deutlich persönliche Züge. Beinahe ein strahlend prägnantes Gesicht.
(Abb.34 Skizze, zwei Bauernhäuser), (Abb.35 Skizze Fischerhaus, Dänemark)


Abb.36 Foto Haus J. in Hannover

Abb.36 Foto Haus J. in Hannover


Bei diesem Wohnhaus, das wir in einem ehemaligen Dorfkern errichtet haben, ist das Individuelle schon sehr ausgeprägt, aber noch gebunden.
Abb.36 Foto Haus J. in Hannover

Abb.37 Skizze Residenz Sommerhausen

Abb.37 Skizze Residenz Sommerhausen


Die prinzipielle Verwandtschaft der lockeren Fassadenaufteilung mit der spielerischen Verteilung von Tür und Fenster auf dem Kinderbild ist übrigens bemerkenswert. Die kleine Residenz der Geistlichkeit von Sommerhausen, ebenfalls in eine Stadtgestalt eingebunden, ist schon wesentlich abstrakter, das heißt künstlicher und auf dem Weg zu einer Skulptur.
(Abb.37 Skizze Residenz Sommerhausen)

Was uns dabei besonders interessiert, ist der freie Umgang mit dem Bauwerk und seinen Gliedern.
Das Urmotiv Dach ist zurückgedrängt. Freitreppe, Portal, Fenster, Skulptur und Schmuckelemente sind scheinbar regellos angeordnet. Scheinbar, denn frei nach Gewichten austariert stellen sie doch eine wohlüberlegte, ausgewogene Komposition dar. Unverkennbar das individuelle Werk eines Baukünstlers, das nun nicht mehr von einem überlieferten Formenkanon aufgesogen werden kann. Obwohl im Ausdruck ein ausgesprochenes Individuum, hat es doch eine allgemein gültige Statur, so daß es sich mit kräftigem Ton zwar, aber doch nachbarlich in das Gefüge des Städtchens eingliedert.

Abb.38 Foto Kleiner Hillen

Abb.38 Foto Kleiner Hillen


Ebenfalls gebunden, aber durch den Kontrast von alt und neu ins Auge fallend, dieses Wohnhaus aus den dreißiger Jahren. Es ist durch den Umbau sozusagen in unsere Zeit versetzt worden, doch ohne seine Herkunft zu verleugnen.
(Abb.38 Foto Kleiner Hillen)

Abb.39 Zeichnung Ronchamp

Abb.39 Zeichnung Ronchamp



Die Kirche bei Ronchamp von le Corbusier überrascht schon auf den ersten Blick als ein ganz und gar persönliches Bildwerk. Trotz ihrer vom  traditionellen Kirchenbau her bekannten Massigkeit, den Motiven Dach und Turm klingen nur entfernt bekannte Saiten an. Aber ebenso unverkennbar wie selbstverständlich eine Kirche. Der Geist, den die Form ausdrückt, nicht die Form selbst, ist ihre Legitimation. Ein einmaliges, aber dennoch dem Auge zugängliches Kunstwerk. Nicht auszudenken, eine solche Form zu wiederholen.
(Abb.39 Zeichnung Ronchamp)  

[weiter zu Teil 5]

   



Druckansicht  Übersicht  Seitenanfang  Impressum  Copyright & Haftung

Inhalt: Storch Ehlers Partner Architekten GbR - Kontakt:  architekten@s-e-p.de



Wenn Sie diesen Text lesen können, dann haben Sie wahrscheinlich einen Browser, der nicht standardkonform ist. Sie sehen daher die Seite nicht genau so, wie wir uns das gedacht haben. Aber das betrifft nur das Layout, das mit CSS2 realisiert wurde. Von folgenden Browsern wird diese Seite korrekt wiedergegeben (Auswahl): Internet Explorer 6, Konqueror 3, Mozilla 1, Netscape 6 und Opera 7 (oder höher).